Welcher Fusions-Typ sind Sie?

Georg Strich und Stephan Vomhoff

„Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat“. Wie wahr dieses berühmte Zitat des Börsen-Gurus Warren Buffett ist, belegt aktuell eindrucksvoll die neuerliche Welle genossenschaftlicher Fusionen.

Denn derzeit entdecken immer mehr Vorstände die Fusion als goldenen Ausweg aus der Misere von zunehmender Regulierung, Minuszinsen und Kundenschwund. Hinzu kommt die Angst, im allgemeinen Fusions-Getümmel links liegen zu bleiben - und bisweilen auch reines Machtstreben und Größenwahn. Fusionen sind tückisch - sie legen etwas offen, was in guten Zeiten seltener zum Vorschein kommt: die Bereitschaft und Fähigkeit der Entscheider zum unternehmerischen Handeln. Das Lager der genossenschaftlichen Vorstände und Aufsichtsräte spaltet sich entzwei: dort diejenigen, denen es reicht, Zeit zu gewinnen – und hier die, die ihr Institut als echte Gewinner in die Zukunft führen wollen.

Richtig ist: vielen Genossenschaftsbanken fehlt es einfach an Masse, um der Flut neuer Regulierungen, Marktveränderungen und der Digitalisierung Herr zu werden. Bei einer Bilanzsumme von wenigen hundert Millionen Euro reichen ein gutes Geschäftsmodell und solides Wirtschaften schlicht nicht mehr aus – es bedarf mehr, zum Beispiel besonders profitabler Geschäftsfelder, oder einer besonderen Hingabe aller Mitarbeiter für ein auskömmliches Ergebnis. Doch der Wettbewerb um die profitablen Geschäfte nimmt zu und nicht ab. Wenn wichtige Nachfolgen zu regeln sind, zeigt sich oft, wie schwierig es bisweilen sein kann, Mitarbeiter zu finden, die willens und fähig sind, Verantwortung zu übernehmen. Auch größere Institute können von einem Zusammenschluss profitieren, zum Beispiel durch Synergien, die die Kostenbasis senken oder wenn mehr Eigenkapital verfügbar ist, um auch größere Kunden zu bedienen.

Eine gut überlegte und gut durchgeführte Fusion kann hier Abhilfe schaffen. Mehr Masse (Bilanzsumme) zum Geldverdienen. Mehr Eigenkapital für größere und andere Geschäfte. Weniger Kosten für auskömmliches Wirtschaften. Einen größeren Mitarbeiterpool für Spezialisierung und Nachfolge für höhere Attraktivität am Arbeitsmarkt. Fusion kann viele Probleme lösen - und in der aktuellen Marktsituation ist jeder Entscheider gut beraten, sie als ernsthafte strategische Handlungsalternative zu prüfen. Nur eines kann die Fusion nicht ohne Weiteres: schwache Geschäftsmodelle in starke Geschäftsmodelle umwandeln.

Was entscheidet über den Erfolg einer Fusion? Wovon hängt es ab, ob das neue Institut kraftvoll und erfolgreich am Markt agiert – oder in wenigen Jahren mit der nächsten Fusion wieder die gleichen Probleme angehen muss? Wichtige Fragen, denn der Erfolg einer Fusion ist nicht selbstverständlich. Gemäß einer Studie des Harvard Business Review scheitern weltweit über 70% der angestrebten Fusionen. Im genossenschaftlichen Verbund ist das Scheitern einer begonnenen Fusion die Ausnahme – der genossenschaftliche Verbund ist stark, und stellt im Bedarfsfall Know-how und tatkräftige Unterstützung bereit. Umgekehrt gelingt allerdings eine echte Weiterentwicklung des Geschäftsmodells im Zuge der Fusionsdurchführung auch nur in den seltensten Fällen.

Warum ist das so? Unsere Antwort auf diese Frage aus der Begleitung zahlreicher Fusionen mag auf den ersten Blick überraschen: das Anspruchsniveau der Entscheider bestimmt maßgeblich das Ergebnis der Fusion. Man kann in der Regel nicht mehr erreichen als man sich vornimmt – in der Hitze der Fusionsdurchführung oft sogar deutlich weniger. Wenn das Fusionsziel die saubere Zusammenführung der Institute ist, dann fehlt von Vornherein die Ambition, Dinge deutlich zu verbessern. Dabei stellt die Fusion – die Neugestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation, die Kundensegmentierung, die Neuordnung der Produkt- und Preiswelten – die Weichen für das künftige Wirtschaften und birgt so durchaus die Chance, erfolgsversprechende Geschäftsfelder auszubauen und sich des einen oder anderen Hemmschuhs zu entledigen.

Um diese Chance zu ergreifen, bedarf es eines Zwischenschritt, den wir allen Sondierungs- und Fusionspartnern empfehlen und die Bereitschaft sich dabei folgende Fragen zu stellen:

  • Mehr Masse (Bilanzsumme) zum Geldverdienen – welche „guten“ Geschäfte der Fusionspartner werden wir ausbauen, um unsere „Masse“ zu nutzen?
  • Mehr Eigenkapital für größere und andere Geschäfte – welche Geschäftsfelder entwickeln wir weiter oder neu, weil sie zu uns passen, uns Mehrertrag versprechen und Nischen besetzen?
  • Weniger Kosten durch auskömmliches Wirtschaften – welche Bereiche brauchen wir im Haus, welche Teile unserer Unterstützungsfunktionen „sourcen wir out“?
  • Höhere Attraktivität am Arbeitsmarkt – wie „verkaufen“ wir das besser, was uns in Zukunft auszeichnet?
  • Was haben Kunden und Mitarbeiter von der Fusion? Wo gewinnen wir Attraktivität in diesen beiden wichtigen „Märkten“, ohne aber unsere Identität aufzugeben?

Wir sind davon überzeugt, dass Klarheit und Einigkeit darüber, wofür man stehen wird, welche Geschäftsfelder für die Zukunft des Unternehmens wichtig sein werden und Entschlossenheit diese Geschäftsfelder auch und gerade während der Fusion, wenn nötig auch mit zusätzlichen Investitionen konsequent weiterzuentwickeln, entscheidend sein werden. Es empfiehlt sich, vor Beginn der Fusionsdurchführung Zeit zu nehmen diese wichtigen Setzungen im Führungsgremium genau zu besprechen, in einem „strategischen Zielbild“ auch schriftlich festzuhalten und rechtzeitig an Mitglieder und Mitarbeiter zu kommunizieren.

Oft stellen wir fest, dass hoch gesteckte Ziele Aufwand und Kosten der Fusion gar nicht belasten. Schließlich fallen die gleichen Tätigkeiten an – sie werden lediglich mit einem anderen Ergebnisanspruch durchgeführt. Was entscheidet, ist der Anspruch an sich selbst: Zeit gewinnen -  oder aber jetzt die Grundlagen für das erfolgreiche Wirtschaften der nächsten Generation schaffen?

 

Für einen persönlichen Austausch steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
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